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fichtensterben
Langgedicht
fichtenscherben. wald in trümmern.
wassermangel / hitze / borkenkäfer.
tod des brotbaums.
radikaler umbruch bruch.
klimagrauen, men made.
anthropozän im siegerland.
kahle hügel bis an den horizont
der nach horror klingt
und klingt
nach
klingen
Seiten
Victoria Hohmann
ist Autorin, multimediale Poetin, Textkünstlerin, Verlegerin, Podcasterin, Berlin based. Studium darstellenden Kunst, Kunstgeschichte (M.A.), Literaturwissenschaft, Archäologie. 2017 Gründung des VHV-Verlag für Literatur und Kultur. 2024 Gründung von OffBeat-Publishing. Zuletzt erschienen die Langgedichte Potenz. und fichtensterben, OffBeat 2024 und der Text Android:in, prototyping, Anthologie U0-Untergrundminiaturen, Kopf & Kragen Literaturverlag.
„Langgedicht“ hat Victoria Hohmann ihren Text „fichtensterben“ genannt. Es ist ein mäanderndes, rhizomartiges, manchmal auch fast unverständlich chiffriertes „Stück an einem Stück“, das sich mit nur einem Mal Lesen nicht erfassen lässt. (…)
Sie verarbeitet Informationen aus vielen Bereichen – von der Forstwirtschaft über Metallurgie und Geschichte bis zur Literatur und Mythologie – zu einer vielschichtigen, diachronen, Bricolage-artigen Erzählung, die schnell fesselt. (…)
„fichtensterben“ ist ein kleines Buch mit spannungsvollem poetischem Potenzial. Noch in ihrer teilweise überbordenden Sprachgestik fordert Victoria Hohmann darin zur Auseinandersetzung und zum eigenen, ehrlichen Nachdenken auf – und das ist in Zeiten, in denen Denken so begeistert künstlich werden soll, verdammt nötig!
Peter Barden, ehem. Chefredakteur Kultur, Siegener Zeitung
Die ganze Rezension als PDF lesen.
Es wird umgegraben, aufgestapelt, gerodet, arrangiert und planiert. Und während die Natur sich (eigentlich) mit der Geschwindigkeit von Zeitaltern verändert, verändert sich von Menschen Gestaltetes mit der Geschwindigkeit von Generationen. (…)
Um zu verstehen, was Anthropozän bedeutet, muss man zwischen diesen Geschwindigkeiten forschen; muss man sehen, wie diese Welt aufgebaut wurde: nämlich über/in einer anderen Welt.
Es bietet sich ein Vergleich mit einem anderen Langgedicht an, dass 2021 erschien: „Doggerland“ von Ulrike Draesner. Ähnlich wie dieses, ist „Fichtensterben“ weniger eine Narration und mehr ein Prozess – ein Prozess des Ausgrabens und Sammelns; ein Mix von aus der Erinnerung Gesprossenem und dem Verschütteten, den mitgetragenen Erschütterungen.
Timo Brandt, Lyristix
Vorschau
Leseprobe
im tal
die quellflur mit bitterem schaumkraut & sternmieren
glänzende steinchen im fließgewässer
wasserkörper sommerlich rinnsal das
den fluss speist ader
handelsweg verleitet vielerorts
abflussrohre zwischen röhricht
flussschleife mit ölfilm
mäandertal
aufruhr der biber-population
the day after tomorrow
schutzräume als ausgleich der angriffe
eingriffe: regenklärbecken vs schwebstoffe
sedimente politische lager ausgeuferte augenwischerei
feuchtwiesen dost knöterich lichtnelke engelwurz
knabenkraut & mädesüß
auen auch
libellen schrecken raupen schmetterlinge trotzen
rehe stirnwaffenträger am feldrand
heute: brache wie leblos im frost
forst winterlich ausgedünnt weg
still
wie zusammengebrochen unter dem gewicht der kälte
gestapelte stämme sprachlos machende türme
polter mit langholz nassgelagert
endlose festmeter schadholz klimabedingt
60,1 millionen kubikmeter
insektenkalamitäten fehlende niederschläge
sturm
familienbesuch
im nacken hinter den
schienen wagons großraumabteilen kleinkindabteilen:
schaufelradbagger über abraum
großmuldenkipper zwecks entsorgung von schüttgütern
taubes gestein dem tiefschnitt im weg
abgepumptes grundwasser sümpfungsmaßnahmen
wer ist dagegen im revier
süd-östlich:
in der dämmerung stehen
reiher am ufer
abseits der landschaftsschürfwunde der bach
lauf
nur an einer stelle begradigt
begnadigt gewunden unverwundet
die reiher
zwei in der dämmerung
kalligraphie auf erschöpftem papier
hier gibt es sie noch
fische mich aus der mündung vor dem betonloch, überbrückt
die hügel im hintergrund kahl
baumfragmente (echo: raumfragmente)
von hitze wie streichhölzer hingeknickt
eingedrungene kupferstecher buchdrucker achtzähnige brut
unter eines baumes rinde die larven die spuren bläsuren zäsuren
reif auf dem bast liegen sie
gefallene tiefgefroren wie in harz gegossen
the end
am hang des hügels
abhang des hügels
abgang abgesang auf
sich der eigene abgrund sein
die reiher
unbeirrt
unbeteiligt schön
ihre zuckenden köpfe
der klappstuhlartige aufbruch
abflug als der wagen hält
noch nicht
erst als wir aussteigen
lange beine in der luft
menschen
sind wir gerne gesehen
zehnfingerig stehen wir am bach
lauf
stehen wie reiher stehen
steht
versuch stechblick sinne in alle richtungen
verstehen am bach
lauf
sich die beine in den bauch auch
das uferprofil
welke feuchtwiese in beige
gehen wie ein reiher geht
den hill hinauf
die fußstapfen
die harvester
knietiefe furchen im schlamm der geländestufen
gefroren in den himmel schäumend
kein durchkommen ohne schützendes schuhwerk stützendes
vor dem einknicken beim anblick
die hügel hinauf
die pfade
weggesprengt von reifenprofilen wie morgensterndorne
mit wucht über die kuppe
gehen
im wald
im ehemaligen auf ehemaligem
waldboden
gehen
wo einmal wald war
Pressekit
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